Mein Weg in die Balance

Ich dachte lange Zeit, es ist ein Entweder-Oder:

Entweder widme ich mich meinen ganzen spannenden Projekten, kümmere mich um Beruf und Karriere und meine Familie ODER ich bin entspannt und in meiner Mitte und sorge gut für mich selbst.

Entweder bin ich eine gute Mutter ODER eine Vollblut-Wissenschaftlerin.

Entweder Wissenschaft ODER Spiritualität. Entweder analytisches Denken ODER musisch-ästhetische Erfahrung im rezeptiven Modus.

Immer dieses Entweder-Oder.

Mein Leben fühlte sich immer an, als würde ein tiefer Riss durch meine eigene Persönlichkeit gehen und lange hatte ich keine Idee, wie ich die Dinge integrieren könnte und wie ich meinen Platz in dieser Welt finden sollte.

"Du musst dich entscheiden", raunte eine Stimme in mir.

Ich fand, das Leben hatte mich mit einer unpraktischen Mischung ausgestattet:

Einerseits gab es diesen unstillbaren Wissensdurst und diese Lust am Denken, Grübeln, Analysieren, Erkennen, Verstehen...

Und andererseits fühlte ein Teil meiner Seele sich heimisch in der Welt von Musik, Klang, ästhetischer Erfahrung, Empfindsamkeit und tief-tiefen Gefühlen.

Viele, viele Jahre hatte ich keine Begriffe für diese Dinge, nahm lediglich wahr, dass da irgendwas hakte und nicht gut zusammen zu gehen schien.

Das Leben fühlte sich immer anstrengend an, von Leichtigkeit keine Spur. Für mich war das der Normalzustand.

Diese Konstellation führte schon früh in meinem Leben zu erheblichem inneren Stress (auch wenn ich das damals noch nicht so genannt hätte); als Teenager litt ich unter ständigem Spannungskopfschmerz und dachte, das ist halt so, während des Studiums mit drei Nebenjobs lief ich im Semester auf Hochtouren, um dann große Teile der Semesterferien erschöpft in der Ecke zu liegen. Spätestens in einer sehr, sehr herausfordernden Lebensphase als Alleinerziehende mit Uni-Job bin ich dann wohl nur knapp an einem saftigen Burn-Out vorbeigeschrammt...

Mein Weg der Heilung begann mit einem Gespräch mit einer sehr herzvollen Ärztin, die mir im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur auf den Kopf zusagte:

"Frau Pflüger, Sie müssen dingend etwas ändern, sonst werden sie krank."

Ich begann, mich mit dem Phänomen Stress wissenschaftlich zu beschäftigen, ich lernte Achtsamkeit und Meditation kennen, absolvierte mehrere Coachings und Therapien und lernte, mein Leben in eine gute Balance zu bringen.

Die Erlösung für mich war die Erkenntnis, dass ich das ENTWEDER-ODER durch ein SOWOHL-ALS AUCH ersetzen konnte. Mein erster spiritueller Lehrer lebte es auf wunderbare Weise vor: Er war Physik-Professor in Amherst UND spiritueller Lehrer, der mit dem Dalai Lama in den Mind & Life Conferences zusammenarbeitete. Er war tief intellektuell UND einfach nur herzvoller, gütiger, liebevoller Mensch. Er war Wissenschaftler UND Künstler.

Eine Tür in meinem Inneren war aufgestoßen, und endlich war der Blick frei darauf, wie ich leben wollte.

Meine größten Learnings waren folgende:

• Um ein glückliches, entspanntes, gesundes Leben in Balance zu führen, muss ich NICHT als Eremit auf einem Berg leben oder in einen Orden wochenlang Meditierender eintreten oder meinen messerscharfen Verstand an irgendeiner Tür abgeben. Ich kann eine busy smarte Lady sein UND ganz und gar bei mir ankommen.
• Momente tiefer Entspannung, glasklarer Fokussierung oder völliger Hingabe sind NICHT dem musisch-ästhetischen Erleben oder der Meditation oder einigen wenigen Gnadenmomenten vorbehalten. Ich kann sie jederzeit aufsuchen. Die Stille ist in mir. Ich bin Klang und Resonanz inmitten einer Welt aus Klang und Resonanz.
• Präsent zu sein, ist ganz einfach. Jeder Moment hat das Zeug zur Achtsamkeitsübung.
• Man kann nicht gleichzeitig aus tiefstem Herzen dankbar und leidenschaftlich unglücklich sein.
• Der einzige Mensch, der für mein Glück, mein Wohlbefinden und meine seelische, geistige und körperliche Unversehrtheit verantwortlich ist, bin ICH.
• Es ist mein Job, mich gut um mich zu kümmern, meine Bedürfnisse zu kennen und für sie zu sorgen, meine Grenzen zu schützen, meine Wünsche zu Zielen zu machen und jeden Tag fröhlich, frisch und dankbar auf der Übungsmatte dieses Lebens zu erscheinen.